Das Handwerk ist die Wirtschaftsmacht von nebenan. Eine Aussage die sich in offiziellen Zahlen und Statistiken widerspiegelt, denn der Umsatz des Handwerks lag im Jahre 2010 bei rund 492 Milliarden Euro, bei nur knapp unter einer Million Handwerksbetriebe bundesweit. Obwohl die Zahlen hier ein deutliches Wachstum verzeichnen ist die Zahl der Auszubildenden stark rückläufig geworden. Erstmals verzeichnet eine Ausbildungsbranche deutlich mehr freie Stellen, und damit Ausbildungsbedarf, als Anwärter. Das Handwerk ist in seinem Wirkungskreis größtenteils lokal bzw. regional orientiert, und steht in vielen Bereichen in direkter Konkurrenz zur Industriefertigung.
Geschichtliche und moderne Entwicklung
Mit der allmählichen Einführung und Ausweitung der Gewerbefreiheit im 19. Jahrhundert, welche zeitgleich auch als die Grundlage unseres heutigen dualen Systems der Berufsausbildung gilt, gewann das Handwerk als Wirtschaftszweig immer mehr an Bedeutung. Bereits mit dem Mittelalter tendierte die Entwicklung vom Handwerk zum Eigengebrauch mehr und mehr in die Richtung wichtiger Berufe, es kristallisierten sich anfänglich jedoch eher Kunsthandwerker wie der Bildhauer oder auch der Tischler, das Lebensmittelhandwerk und Töpfer und Schmiede heraus.
Nach eine Phase nahezu uneingeschränkten Gewerbefreiheit, resultierend aus Umstrukturierungen durch die US-Besatzungsmächten nach Kriegsende, fand das Handwerksgewerbe erst rund 10 Jahre später wieder deutliche und markante Einschränkungen in der Ausübungspolitik eines Handwerks – Befähigungsnachweise nach deutschem Vorbild wurden wieder eingeführt um Standards zu schaffen und aufrecht zu erhalten. Im Rahmen dieser Novellierung kam auch der Meisterbrief wieder zum Tragen, welcher vor den Besatzungsmächten zuletzt Anfang der 1990er eingeführt wurde.
Das Handwerk von heute arbeitet nur noch teilweise konsumorientiert. Ein großer Teil des Handwerks arbeitet heute zudem als Zulieferer für die Industrie, weshalb das Handwerk als heterogener Wirtschaftszweig betrachtet wird. Das klassische Kunsthandwerk verzeichnet dabei schwindende Zahlen, wie bspw. der Goldschmied oder auch der Uhrmacher, während traditionelles Bauhandwerk sich die Neuerungen von Industrie, Chemie und der Elektronik/Mechanik zu Nutze machen und expandieren konnte.
Perspektiven innerhalb des Handwerks
Es besteht weiterhin eine große Diskrepanz zwischen dem Handwerksmeister und der entsprechenden Handwerksordnung, die 2004 dazu führte, dass viele bis dato unter Meisterzwang stehenden Gewerbe nun zum sogenannten freien (minderen) Handwerksgewerbe zählten. So wurden aus 94 Berufen die dem großen Befähigungsnachweis unterlagen nur noch 41 – insbesondere Verfechter des Meisterzwangs betrachten diese Entwicklung als geschäftsschädigend, da vermehrt Teilbereiche des Handwerks nun auch ohne Meistertitel ausgeübt werden dürfen. Darüber hinaus erschließt das Handwerk jedoch mehr und mehr zahlreiche andere Bereiche bspw. in der Industrie, und damit neue Geschäftsfelder.
Probleme des Handwerks
2010 verzeichnete das Handwerk rückläufige Zahlen bei Bewerbungen für Ausbildungsstellen – zahlreiche freie Ausbildungsplätze- und Betriebe blieben unbesetzt. Das Handwerk bemängelt hier jedoch weniger die fehlende Nachfrage seitens der Schulabgänger, sondern vielmehr einen Mangel an Leistungsbereitschaft und Befähigung. Ein Umstand der auch deutlich aufzeigt, dass die Ansprüche von und an das Handwerk im Wandel der Zeit erheblich gestiegen sind. Auch Schwarzarbeit stellt ein großes Problem im Handwerk dar, nicht nur wirtschaftlich sondern auch qualitativ. Daneben muss sich das Handwerk vermehrt mit äußeren Einflüssen beschäftigen die auch Auswirkung auf generelle Abläufe haben, wie Energieeffizienz oder Recycling, umweltfreundliches Arbeiten und überregionale Vertriebswege, Preiskampf über das Internet und eine Geiz-ist-geil-Mentalität der Konsumenten.
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